Samstag, 3. Oktober 2009

Von Frauen und Kaulquappen

Am vergangenen Wochenende fand in Berlin wieder einmal ein Schweigemarsch - "Marsch für das Leben" genannt - gegen Abtreibung statt. Das Ausmaß des sogenannten Gegenprotests nahm diesmal jedoch traurige und erschreckende Züge an - selbst für jemanden wie mich, der sich an dem Marsch nicht beteiligt hat.

Die Beschreibung dieses Gegenprotests beim Humanistischen Pressedienst ist von Zynismus nur so durchtränkt. Man beschwert sich darüber, dass die massive Störung einer völlig legalen und völlig gewaltfreien Demonstration von Polizisten behindert wird - was eigentlich selbstverständlich sein sollte und in noch stärkerem Ausmaß wünschenswert wäre ("Die euphorische Stimmung wurde jedoch durch die zahlreiche Anwesenheit von Polizisten getrübt"). Die Slogans der Linksradikalen waren auf maximale Verletzung der Gefühle der Marschteilnehmer angelegt ("Hätt Maria abgetrieben, wär uns das erspart geblieben" (!) oder "Föten zu Pflugscharen" [sic]) bei gleichzeitiger Abwesenheit vernünftiger Argumente, was ein interessantes Licht darauf wirft, was die selbsternannten "Humanisten" unter Humanismus verstehen, und wie human sie mit denen umgehen, die nicht ihr Konzept von Humanität teilen. Dass unter den Marschteilnehmern auch zahlreiche Kinder und ältere Menschen waren, störte die Linksradikalen dementsprechend wenig. Im Gegenteil, der Psychoterror "zeugte von der positiv geladenen, emanzipatorischen Stimmung der Pro-Choice Demonstranten". Einer Frau, die über negative Erfahrungen mit einer Abtreibung berichtet, wird von der Verfasserin (!) mal eben psychische Labilität unterstellt. Dass Abtreibungsgegner regelmäßig in die rechte Ecke gestellt werden, als "Frauenfeinde" bezeichnet werden (Mütter und ihre Kinder dabei potentiell als Gegner ausgespielt werden, getreu dem Motto 'Wer für das Kind ist, ist gegen die Mutter') und der Mord an einem Abtreibungsarzt in den USA erwähnt wird, ist dabei schon Usus der Berichterstattung.

Höhepunkt der "euporischen" und "positiv-geladenen" Stimmung war schließlich die öffentliche Verbrennung einer Bibel. Spätestens hier muss man an Heine und sein berühmtes Zitat über Menschen, die Bücher verbrennen, denken. Oder auch an George Orwells 1984, in dem er die systematische Pervertierung von Begriffen und Werten vorwegnimmt (Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei). Eine Organisation, die sich selbst "Pro Familia" nennt, beteiligt sich aktiv an einer Demonstration gegen "religiöse Dogmen" wie "Familienzentriertheit"; selbsternannte "Humanisten" versuchen, ihre Gegner möglichst schmerzhaft unter der Gürtellinie zu treffen; und selbsternannte "Antifaschisten" praktizieren letztlich sogar die Rituale von Nationalsozialisten.

Wie eng diese radikale Ideologie mit der Idee einer allgemeinen Evolution verflochten ist, zeigt der Text einer jungen Frau, der auf der Internetseite der Linken in Schleswig-Holstein veröffentlicht wurde, nach kritischen Stimmen (siehe hier oder hier) jedoch wieder entfernt werden musste. Darin fielen interessante Sätze wie: "Ein Embryo/Fötus befindet sich in einem Zustand der Dämmerung, etwa vergleichbar mit dem unbewussten Gefühlsleben einer Pflanze." oder "Er ist kein Individuum und befindet sich im besten Falle auf der evolutionären Stufe mit einer Kaulquappe, aber ganz sicher nicht mit einem Menschen" oder auch "Behinderte Menschen liegen dem Sozialstaat auf der Tasche, werden seit Menschengedenken als unnütze Esser betrachtet".

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Danke für die Darstellung! Als Teilnehmer des „Marsch für das Leben“ bin ich der Polizei sehr dankbar für den Schutz, den sie uns gewährte.

„Hätt’ Maria abgetrieben, wär’t ihr uns erspart geblieben!“ – Ich habe gedacht: „Ja – ,hätte’! Conjunctivus irrealis. Hat sie aber nicht. Gott sei Dank.“ Thema abgehakt. Alles in Ordnung. Dann aber deutete Bischof Voigt in seiner Predigt während des Gottesdienstes im Anschluss an den „Marsch für das Leben“ den Ausspruch anders: Die theologische Quintessenz seiner Gedanken ist, dass wir Menschen, also auch ich, Ihn, den Sohn der Maria, abgetrieben haben, hinausgetrieben nach Golgatha ans Kreuz. Denn er ist auch für mich gestorben. Das hat mich dann doch noch sehr tief im Herzen getroffen.

Josef Bordat