Wie bereits
2008 wird sich mein letzter Blogbeitrag auch in diesem Jahr um einen Science-Fiction-Film mit Öko-Botschaft drehen. Vielleicht eine neue Tradition? Da es um einen aktuellen Kinofilm geht, möchte ich auf jeden Fall im Voraus darauf hinweisen, dass der Text gewisse Dinge in Bezug auf die Filmhandlung verraten könnte. Personen, die den Film noch nicht gesehen haben, aber noch sehen wollen, seien daher vor
Spoilern gewarnt!
Das Thema 'Film und Religion' beschäftigt mich eigentlich schon sehr lange. Zu den Filmen von James Cameron habe ich dabei einen besonderen Bezug, da ich im Zuge meines Filmwissenschaftsstudiums mal eine Arbeit über den religiösen Subtext von Blockbustern am Beispiel von
Terminator 2 - Judgment Day verfasst habe. Gerade die christliche Erlöserthematik findet sich auffallend häufig in Hollywood-Produktionen, zum Teil auch nicht auf den ersten Blick erkennbar, wie beispielsweise in
I, Robot.
Nachdem Cameron sich bereits in zwei von ihm produzierten Dokumentationen teils fürsprechend, teils kritisch mit religiösen Themen beschäftigt hat (
Der Exodus - Wahrheit oder Mythos? sowie
The Lost Tomb of Jesus) ist Avatar in dieser Hichsicht ebenfalls sehr interessant. Der Film stellt einerseits eine, ins Science-Fiction-Genre übertragene Variation eines alten Themas dar: Im Konflikt zwischen angeblich zivilisierten Siedlern/Invasoren und angeblich primitiven und naturverbundenen Ureinwohnern schlägt sich der Protagonist im Laufe der Handlung auf die Seite der Eingeborenen und kämpft schließlich gemeinsam mit ihnen gegen seine früheren Arbeitgeber. Gleichzeitig ist
Avatar jedoch auch eine Umkehrung des alten Sci-Fi-Motivs der Invasion übermächtiger, böser Aliens à la
Independence Day oder
Krieg der Welten, und stellt insofern schon ein Novum dar. Hier sind die Menschen die bösen, übermächtigen Aliens, und man identifiziert sich ausgerechnet mit den blauhäutigen Außerirdischen. Ausgetretene Pfade geht der Film also nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten enthält er eine Vielzahl sehr interessanter und innovativer Details.
Während sich bei früheren Cameron-Filmen religiöse Aspekte höchstens als Metapher oder Anspielungen fanden, hat Avatar nun einen ziemlich direkten Bezug. Die Naturverbundenheit der Na'vi, wie die Ureinwohner des Mondes Pandora heißen, hat quasi religiöse Ausmaße. Clever ist dabei, wie Cameron Esoterik und Wissenschaft verschmilzt, und über die digital designte Natur der Alien-Welt eine Art biologisch begründeten Pantheismus etabliert. Zumindest alle komplexeren Vertreter der Pandora-Fauna und -Flora verfügen über frei liegende Nervenenden, über die sie sich direkt mental verbinden können. Und die Bäume schaffen durch ihre - über ebensolche Nervenenden verbundenen Wurzeln ein Kommunikationsnetzwerk, das praktisch den gesamten Mond umspannt. (Ein Aspekt, der mich ein bisschen an die Prämisse des von Kritikern gescholtenen
The Happening erinnert hat) In diesem sozusagen biologischen Internet sind Informationen über einzelne Lebewesen gespeichert - auch über Na'vi, die bereits verstorben sind. Das Netzwerk, das letztlich alle Lebewesen umfasst, bildet nun die Gottheit namens Eywa, die die Na'vi verehren. Und in ihrem Weltbild nimmt diese Gottheit die Seelen der Verstorbenen auf. Man kann sich jetzt streiten, ob das Ganze nun überhaupt noch mit Religion zu tun hat, wenn die Gottheit wissenschaftlich erklärt wird. (So argumentiert auch Jeffrey Weiss auf
politics daily:
Explaining Eywa is a matter of neurophysics, not theology. So it's not about religion.)
Dabei wird jedoch von einer heutzutage als selbstverständlich angesehenen Prämisse ausgegangen, nach der alles, was wissenschaftlich erfassbar ist, gleichsam physisch und materiell ist. Information ist jedoch immateriell, obwohl deren Träger materiell sind. Ich kann ein Lied nicht zerstören, indem ich eine Schallplatte zerbreche. (Genauso wie im Film das Töten des Avatars - ein Begriff aus dem Hinduismus - nicht automatisch zum Töten der Person führt) Insofern ist es eigentlich hochinteressant, dass die Gleichsetzung des Geistes oder der Seele eines menschlichen (oder menschenähnlichen) Wesens mit der immateriellen Information, die sein Gehirn verarbeitet und speichert, die im Film zum Ausdruck kommt, praktisch derselbe Gedanke ist, den christliche Wissenschaftler wie beispielsweise Werner Gitt äußern. (Ich halte Gitts Informationstheorie zwar nicht für so ausgearbeitet, wie sie sein sollte, teile jedoch seine Schlußfolgerung, dass der Mensch als informationsverarbeitendes und -speicherndes Wesen eine nicht-materielle Komponente hat. Diese Information ist in dem Sinne allerdings nicht im platonischen Sinne 'unsterblich', sondern abhängig von einem Träger und löschbar.)