Sonntag, 1. Juli 2007

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Letzte Woche geisterte er kurz durch das Internet wie eine schattenhafte Zukunftsvision - Ein Bericht, über den der Europarat am Dienstag dieser Woche debattieren sollte, mit dem Titel "Die Gefahren des Kreationismus für die Bildung" (The dangers of creationism in education).

Der Bericht von Guy Lengagne, Vorsitzender des Europarats-Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und Bildung, wurde vom Europarat jedoch als zu einseitig zurückgewiesen. Wenn man den Resolutions-Entwurf liest, ist diese Reaktion nur allzu verständlich. Wie so oft wird das Wohl unserer Kinder vorgeschoben, um eine bestimmte Weltanschauung als Gefahr für die Zivilisation zu brandmarken und den drohenden Untergang des Abendlandes heraufzubeschwören. Laut Lengagne könnte "creationism [...] become a threat to human rights". Da stellt sich die Frage: Ist jemand, für den Kreationismus* eine potentielle Bedrohung der Menschenrechte darstellt, auf längere Sicht damit zufrieden, wenn der Kreationismus per Gesetz aus dem Biologie-Unterricht verbannt wird? Oder sieht er darin nur die Bekämpfung der für ihn bedrohlichsten Auswirkung, sozusagen als ersten und wichtigsten Schritt?
(*An eine Forderung zur Differenzierung zwischen Kreationismus und ID sollte man bei solchen Kampfschriften wohl erst gar nicht denken.)

'Solange die Kreationisten und "IDioten" keine bildungspolitischen Ziele verfolgen, ist alles in Ordnung'... Ich denke, von diesem oft suggerierten Grundgedanken kann man sich getrost verabschieden, wenn man Lengagnes Pamphlet zwischen den Zeilen liest. Lengagne selbst war "schockiert" und "entsetzt" und kommentierte die Entscheidung, seinen Bericht an den Ausschuß zurückzuverweisen mit den Worten: "Für mich ist das ein Manöver jener Menschen, die mit allen Mitteln die Evolutionstheorie bekämpfen und ihre kreationistischen Ideen durchsetzen wollen. Wir erleben hier, wie die Weichen für eine Rückkehr ins Mittelalter gestellt werden, und zu viele Mitglieder dieser Menschenrechts-Versammlung bemerken es nicht." (Auf die Idee, dass sein Bericht vielleicht tatsächlich etwas unreflektiert und pathetisch geworden ist, kommt Monsieur Lengagne natürlich nicht.)

In der europäischen, speziell der deutschen Realität stellen ID und der Kreationismus weniger eine Bedrohung staatlich garantierter Grundrechte dar, sondern vielmehr eine Herausforderung derselben. Wie öffentlich und rechtlich sind beispielsweise unsere Medien, wenn ein vom SFB (heute RBB) produzierter evolutionskritischer Dokumentarfilm nach einmaliger Ausstrahlung im Giftkeller verschwindet, trotz positiver Publikumsreaktionen? (Hat die Bibel doch recht?) Ein weiteres Beispiel wäre das durch die deutschen Brights erwirkte Redeverbot für Reinhardt Junker an einer deutschen Universität (siehe hier). Was hier eher aus Amerika "herüberschwappt" ist wohl ein rigoroser Umgang mit Kritikern der Evolutionstheorie, ein Aufweichen demokratischer Grundrechte durch die gezielte Inszenierung einer Bedrohung derselben.**

Der Journalist Paul Belien zieht im "Brussels Journal" Parallelen zwischen dem Vorstoß des Sozialisten Lengagne und den Verurteilungen von Pro-Life-Aktivisten in Deutschland. So wurde am 14. Juni diesen Jahres der deutsche Pastor Dr. Johannes Lerle wegen Volksverhetzung zu einem Jahr Haft verurteilt, weil er die massenhafte Tötung von Ungeborenen mit dem Holocaust an den Juden verglich. Angesichts des Resolutions-Entwurfs schreibt Belien: "Soon, the German authorities will be able to use the same charge [Anklage wegen Volksverhetzung, Anm. d. Autors] against people who question Darwin’s evolution theory."

** Im deutschsprachigen Raum wirkt das Szenario eines in den Schulunterricht drängenden, als ID getarnten Kreationismus schon allein deshalb konstruiert, weil hier namhafte Vertreter des ID-Paradigmas, wie W.-E. Lönnig und M. Rammerstorfer den Zeugen Jehovas angehören, die jegliche politische Einflussnahme ablehnen.

Video einer Pressekonferenz mit Guy Lengagne

Stellungnahme von Wort und Wissen

Christliches Medienmagazin zum Thema

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