Vor knapp drei Monaten schrieb ich einen Beitrag über die jüngste Produktion des Filmemachers Fritz Poppenberg, die sich kritisch mit dem Thema Abtreibung auseinander setzt.
Das Thema 'Abbruch eines beginnenden Lebens' scheint nicht weniger emotional umstritten zu sein als Themen wie 'Beginn und Ursache des Lebens überhaupt'. Über thematische Gemeinsamkeiten und Unterschiede mag man sich streiten; warum ich noch einmal etwas dazu schreibe, ist ein Vorfall vor einer Abtreibungsklinik in Wien, beziehungsweise die entsprechende Berichterstattung darüber.
Auf der katholischen Video-Plattform gloria.tv wurden mehrere Clips (sie auch hier) veröffentlicht, die zeigen, wie Lebensschützer von engagierten Schauspielern auf zum Teil makabere Weise bedrängt werden. Einige dieser Aktivitäten kann man wohl ohne weiteres als sexuelle Belästigung sehen. Interessant ist das daraufhin in Gang gesetzte mediale Echo.
Einige Meldungen zu dem Vorfall erwähnen, dass gloria.tv in Moldawien betrieben werde, "außerhalb der EU mit ihren Persönlichkeitssschutzregeln". Das tut natürlich schon einmal sehr viel zur Sache. Der Betreiber der entsprechenden Klinik gibt zwar laut Standard zu, aus "Gründen der Gegenwehr" "immer wieder Schauspieler engagiert" zu haben, "um die Abtreibungsgegner von ihrem Tun abzuhalten." Das Video sei jedoch "offensichtlich manipuliert" (!) und stelle "einen verzweifelten Versuch religiöser Fanatiker dar, die Tatsachen auf den Kopf zu stellen". Sechs Tage später liest man: "Die Bilder, die auf der Internetseite gloria.tv veröffentlicht wurden und zeigen, wie die HLI-Demonstranten körperlich belästigt wurden, seien „bedauerliche Ausnahmen“." Ah ja...
Die ORF-Sendung "Thema" widmete sich dem Vorfall dann am 10. Dezember ebenfalls. In das Interviews eines Lebensschutz-Vertreters wird kurz und suggestiv die Großaufnahme eines Nagels in den Füßen einer Jesus-Figur geschnitten. Eine Französin, in deren Heimat "Der Versuch, eine Frau von einem Schwangerschaftsabbruch abzubringen, [...] mit bis zu 30.000 Euro Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft geahndet" (wienweb) wird, steht kopfschüttelnd vor Fotos von Embryos. Der Subtext dieser Berichterstattung ist mehr als klar: Selbst wenn die veröffentlichten Aufnahmen echt sein sollten (was grundsätzlich bezweifelt wird, Moldawien und so) ... selbst schuld! Wer versucht, Frauen von ihrem Recht auf Schwangerschaftsabbruch abzubringen, dem geschieht sexuelle Nötigung ganz recht. Die engagierten Schauspieler sind zwar nicht ganz billig, aber für den Klinikbetreiber fest steht: "Mit jedem Schwangerschaftsabbruch rette ich das Leben einer Frau."
Man kann sich fragen, was in einer Gesellschaft schief läuft, die glaubt, Frauen das Leben zu retten, indem sie deren Schwangerschaft beendet. (Das Wort Abtreibung wird hier meist bewusst vermieden, Schwangerschaft klingt eher wie ein körperlicher Zustand, den man abstellen kann) Ob man den Aktionen der Lebensschützer positiv gegenüber eingestellt ist oder nicht, erschreckend ist hier der Gleichklang der Medien. Niemand hinterfragt ernsthaft, ob Frauen wirklich umfassend über das Thema aufgeklärt und beraten wurden, was allein schon bei der großen Zahl von Teenagerschwangerschaften eine interessante Frage wäre. Und niemand scheint genau wissen zu wollen, ob ein Gynäkologe Schauspieler engagiert, um Frauen und Männer sexuell zu nötigen. Die wenigsten Seiten verlinken überhaupt zu dem entsprechenden Filmmaterial. Ähnlich wie bei ID (da zum Glück noch nicht in dieser Form) scheint bei vielen Toleranz und Mitgefühl dort zu enden, wo andere "religiös motiviert" sind.
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