Dienstag, 25. März 2008

Imagine

"Imagine there's no Heaven, It's easy if you try. No Hell below us, Above us only sky", sang John Lennon 1971 in einem der bekanntesten Songs aller Zeiten, "Imagine all the people Living for today. Imagine there's no countries, It isn't hard to do, Nothing to kill or die for, And no religion too."

Das Lied wurde zu einer Hymne der Friedensbewegung und suggeriert, dass Religion an sich genauso wie Nationalismus immer Gründe für Morde und Kriege liefern wird und damit ein Hemmnis für wirklichen Frieden ist. Eine derartige Auffassung hält sich bis heute bei vielen, nicht zuletzt aufgrund verschiedener politischer Entwicklungen (dazu auch hier). In manchen Foren sieht man beispielsweise als Signatur ein Bild der WTC-Türme mit der Unterschrift "Imagine no Religion".

Dass so eine Sichtweise selektiv, und damit bestenfalls naiv ist, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Gäbe es in einer Welt ohne Religion tatsächlich beispielsweise keine Selbstmordattentate? Sogenannte Amokläufer beweisen in trauriger Regelmäßigkeit das Gegenteil. Das Wort Amok kommt eigentlich aus dem Malaiischen und bedeutet ursprünglich einen Angriff aus blinder Wut heraus. Was in Medien oft als Amoklauf bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit jedoch eher ein geplantes Massaker, ein Selbstmordattentat, das sich von beispielsweise al-Qaida-Attentaten nur durch den Grad an Planung unterscheidet.* Worin genau unterscheidet sich ein Islamist, der mit einem Bombengürtel in ein Café geht, von einem jugendlichen Atheisten, der mit einem Arsenal an Waffen unter dem Mantel in seine Schule geht?

Das Phänomen der sogenannten Schulmassaker ist - entgegen dem, was "Bowling for Columbine" suggeriert - ein internationales, wie Massaker in Schottland, Kanada, Japan, Deutschland und zuletzt Finnland (November 2007) beweisen. Und es ist wohl kaum weniger bedenklich als die Gefahr durch religiöse Extremisten. Die Täter sind ohne Ausnahme alles andere als religiös.**

Aber auch im globalen Rahmen ist die Formel "Imagine no religion = Imagine all the people, Living life in peace ..." höchstwahrscheinlich nicht so simpel wie sie viele denken. Laut dem Ethnologen Günther Schlee beispielsweise ist die Ursache für Konflikte und Kriege eher der Kampf um Recourcen im allgemeinen, für den Religionen und Ethnien instrumentalisiert werden.
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* Im Tagebuch von einem der beiden Todesschützen von Littleton (1999) findet sich beispielsweise die Fantasie, ein entführtes Flugzeug über New York abstürzen zu lassen.

** Das Tagebuch des Attentäters von Emsdetten enthält folgenden Eintrag: "Warum soll ich mich noch anstrengen irgendetwas zu erreichen, wenn es letztendlich sowieso für'n Arsch ist weil ich früher oder später krepiere? Ich kann ein Haus bauen, Kinder bekommen und was weiss ich nicht alles. Aber wozu? Das Haus wird irgendwann abgerissen, und die Kinder sterben auch mal. Was hat denn das Leben bitte für einen Sinn? Keinen!"

Und zur oft geäußerten Auffassung, dass ein an sich sinnloses Leben den Sinn hat, den man ihm gibt (Leere ist Fülle, für den, der sie sieht, etc. pp.): "Nein, es gibt für mich jetzt noch eine Möglichkeit meinem Leben einen Sinn zu geben, und die werde ich nicht wie alle anderen zuvor verschwenden!"

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