Die Darwinsche Evolutionstheorie und eine christliche Gesinnung müssen sich nicht notwendigerweise unversöhnlich gegenüberstehen. So wird es immer wieder von Vertretern beider Lager als Losung ausgegeben.
Als Musterbeispiel dient meist Theodosius "Nichts in der Biologie ergibt Sinn etc. pp." Dobzhansky, der als Christ Schulter an Schulter mit dem beinharten Atheisten Ernst Mayr die moderne Synthetische Evolutionsbiologie aus der Taufe hob. Das schöne Bild von der Evolutionstheorie als über Weltanschauungen hinweg einigenden Gedanken hat jedoch einen unschönen Nebeneffekt. Sinnsucher vom Geiste eines Teilhard de Chardin neigen leider dazu, Löcher im Gedankengebäude der Synthetischen Theorie als Löcher in der Augenbinde des "blinden Uhrmachers" zu interpretieren.
Simon Conway Morris plädiert in seinem Buch "Life's Solution: Inevitable Humans in a Lonely Universe" (Cambridge, 2003) beispielsweise dafür, dass die "nervigen" Konvergenzen - an sich immer noch eine deutliche Herausforderung an die omnipotente Erklärungsmacht der Synthetischen Theorie - ein deutlicher Beweis dafür seien, dass unsere Existenz kein Zufall sein kann, und bereits seit dem Big Bang geplant war.
In einem Interview mit der ZEIT meint Morris auf die Frage "Glauben Sie, da läuft eine Art Programm ab?" (Man beachte: Programm steht nicht in Anführungszeichen, hier scheint also wirklich jemand Programm im Sinne von Programm zu meinen): "Es gibt zahlreiche Hinweise darauf: So ist etwa gut dokumentiert, dass die Gliederfüßer und die Fische das Land mindestens dreimal unabhängig voneinander erobert haben. Ich gehe also davon aus: Früher oder später wird ein Tier im Wasser Beine ausbilden. Und sobald es das getan hat, wird es beinahe zwangsläufig an Land krabbeln. [...] Meiner Ansicht nach war der Mensch bereits mit dem Urknall angelegt. Während der ersten Millisekunde dieser Welt. Unsere Entstehung ist alles andere als ein Zufall." Und im weiteren Verlauf: "Verändern wir einmal den Standpunkt und gehen davon aus, dass unser Universum beabsichtigt war. Nicht einfach ein Unfall oder eine zufällige Laune der Natur. Dann ist die Entwicklung von Intelligenz doch etwas sehr Naheliegendes. Denn eine höhere Macht wäre mit Sicherheit an einer Welt mit einer intelligenten Spezies interessiert, die über sich selbst reflektieren kann."
Und dabei bezeichnet sich Morris als Antwort auf die allererste Frage durchaus als Darwinisten. (Wohl nicht zuletzt, weil dieses Etikett immer noch ein wohlwollendes Durchwinken bei Kontrollen der 'political/scientific correctness' garantiert.)
Evolution, Darwin, Urknall, und trotzdem höhere Macht ... ? Da klingeln Ohren, und das poetische Bild von Christen und Atheisten, Juden und Arabern, die gemeinsam friedlich durch die Okulare eines Mikroskops blicken, vereint durch Vernunft und Wissbegierde, wird wieder lebendig. Doch was macht Morris hier eigentlich? Er nimmt ein Problem der Synthetischen Theorie - Konvergenzen, die sowohl das Argument der Ähnlichkeit als Beleg für gemeinsame Abstammung in Frage stellen, als auch diverse wahrscheinlichkeitstheoretische Betrachtungen - und sieht darin - nennen wir es doch einfach beim Namen - ein Design-Signal. Für Hardcore-Evolutionisten wohl kaum befriedigend.
Man könnte Morris´ Argumentation nun als ziemlich pseudowissenschaftlich abtun, aber dann wäre auch das ganze schöne Bild mit Morris als erklärten Darwinisten, der glaubt, dass "christlicher Glaube und die Evolutionslehre [...] sich gegenseitig enorm bereichern" könnten, futsch. Und - mal ehrlich - dafür ist dieses Bild doch einfach zu idyllisch...
DIE ZEIT 19.08.2004 Nr.35
Aliens wie du und ich
1 Kommentar:
Gut geschrieben und argumentiert!
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