Vor etwas über einem Jahr konnte man Schlagzeilen wie "Wurfspeer eines modernen Menschen tötete Neandertaler" lesen, bzw. entsprechende TV-Beiträge sehen. Die Erkenntnisse dahinter waren allerdings wesentlich spekulativer, als es die recht reißerischen Headlines vermuten ließen.
Ausgangspunkt ist die Rippenverletzung eines Neandertalerskeletts aus der Shanidar-Höhle im Irak. Interessanterweise zitiert Jack Cuozzo dazu aus der Originalpublikation von Erik Trinkaus von 1983, dass die entsprechende Wunde zum Teil verheilt war: "All twelve right ribs and at least eight of the left ribs (numbers 1-3, 6-9, and 11) are preserved with major portions of seven right ribs ( numbers 2,3,5-9) and four left ribs (numbers 3, 7-9) represented. One rib, 9 left, exhibits a partially healed wound." Eine teilweise verheilte Wunde lässt nun darauf schließen, dass zwischen Verletzung und Tod eine nicht geringe Zeit verging. Damit wäre fraglich, ob die Verletzung wirklich zum Tode geführt hat, zumal andere Skelette in Shanidor Verletzungen zeigen, die offenbar gut gepflegt und verheilt waren. (Auf dieser Seite kommentiert man den Umstand einfach so: "At the time of his death, the gouge in his bone had started to heal. He was one tough guy.")
Anhand dieser Wunde stellte man durch entsprechende Versuche fest, dass sie wahrscheinlich von einem Wurfspeer stammt. Und diese sollen die Neandertaler zu dieser Zeit noch nicht benutzt haben. Gerade dahinter kann man jedoch ein Fragezeichen setzen, immerhin wurde das, was man Neandertalern biologisch, technisch und kulturell zutraute, im Lauf der Geschichte kontinuierlich nach oben korrigiert. So entdeckte man erst Anfang des Jahres in einer Höhle in Südspanien bearbeitete und pigmentgefärbte Muscheln. Entgegen früherer Annahmen hat der Neandertaler diese Dinge nicht einfach nachgeahmt oder geklaut. Er hatte also sowohl assoziative als auch künstlerische Gedanken, er schminkte sich, stellte Schmuck her, betrieb Hochseeschiffahrt und bestattete seine Mitneandertaler mit Blumen... Insofern würde es denn auch kaum verwundern, wenn zukünftige Funde den Gebrauch von Wurfspeeren für die fragliche Zeit belegen.
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